Kara Cunzeman von der Aerospace Corporation war zu Gast in unserem Innovation Rockstars Podcast. Im Interview betont sie, wie wichtig die Fähigkeit zu träumen und sich etwas vorzustellen für erfolgreiche Strategic Foresight ist.
Kara Cunzeman von der Aerospace Corporation über Träume, Visionen und bewusstes Agieren statt Reagieren
In der Weltraumindustrie herrscht Bewegung: Das Ziel rückt näher, zum Mars zu fliegen und diesen zu besiedeln. Videospiele wie „Surviving Mars“ (Haemimont Games) haben diesen Trend bereits aufgenommen – Kara Cunzeman, Lead Futurist im Center for Space Policy and Strategy bei der Aerospace Corporation sprach mit uns über die Zukunft der Menschheit im Weltraum und darüber, welche Rolle die Strategic Foresight spielt. Mit Ihrem Team hat sich Kara zum Ziel gesetzt, das Ökosystem der Luft- und Raumfahrt-Unternehmen zu verwandeln.
Die Aerospace Corporation ist ein amerikanisch-kalifornisches gemeinnütziges Unternehmen, das ein staatlich finanziertes Forschungs- und Entwicklungszentrum mit Sitz in El Segundo, Kalifornien, betreibt. Das Unternehmen bietet sowohl im militärischen, zivilen aber auch kommerziellen Bereich technische Unterstützung und Beratung zu allen Aspekten der Raumfahrtmissionen an. In unserem Gespräch gibt uns Kara Cunzeman Einblicke in die Entwicklung und den Einsatz unterschiedlicher Tools, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Aerospace (mit)entwickelt und bereits zum EInsatz gebracht hat.
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Alles auf Anfang
Heute gehört die Strategic Foresight zu einer der wichtigsten Komponenten bei Aerospace. Das war aber nicht immer so: Als Kara vor 6 Jahren von Aerospace eingestellt wurde, suchte sie nach neuen Methoden, um das Wissen im Unternehmen zu vergrößern. Es dauerte fast 2 Jahre, bis Kara die Methoden fand, die sie benötigte. Sie sollte an einem neuen internen Projekt arbeiten. Dessen Projektleiterin animierte sie, das Institute For The Future (IFTF) zu besuchen. Hier erlebte Kara den berühmten Aha-Moment, als plötzlich die Frage aufkam: "Haltet ihr als Organisation eigentlich regelmäßig Ausschau nach Signalen?" . Während viele der Teilnehmer die Hände hoben, um die Frage zu bejahen, musste Kara ihre gesenkt lassen: Bei Aerospace waren solche Techniken bis dato nicht im EInsatz. Im IFTF entdeckte sie, dass es bessere Methoden gab, um einen Impact auf das Unternehmenswissen auszuüben, als Aerospace es bis zu dem Zeitpunkt praktizierte. Kara glaubte, dass sie mit diesen Methoden bessere Entscheidungen treffen könnten. Sie war derart von dem Ansatz des IFTF überzeugt, dass sie sich zum Certified Futures Foresight Practioner ausbilden ließ. Kara beschreibt die Zeit danach als Selbstläufer: Sie nahm ihr Wissen mit in die Projekte und die neuen Methoden etablierte sich schnell im Unternehmen.
COVID-19: Black Swan oder Wake-Up-Call?
Als "Black Swan" bezeichnet man an der Börse ein Ereignis, das die Aktienkurse wie aus dem Nichts abstürzen lässt, im Nachhinein aber sehr nachvollziehbar ist. Auch die COVID-19-Pandemie wird aus Sichtz vieler als ein solches «Black Swan» Ereignis eingestuft. Kara Cunzeman sieht das jedoch anders und bezeichnet die Pandemie hingegen als ultimativen Wake-Up-Call:
Wer jetzt nicht handelt, der handelt nie.
Pandemien gab es schon immer: Dass eine Pandemie einen solchen Impact haben würde wie im Fall COVID-19, war jedoch nicht abzusehen. Wer aber die Signale bereits vor der Krise erkannte, konnte sich vorbereiten. Und genau wegen dieser Signale, die es definitiv im Vorfeld gab, kann in im Fall von COVID-19 Fall nicht von einem „Black Swan“ gesprochen werden, erklärt Kara. Ihrer Meinung nach verwenden Führungspersönlichkeiten diesen Begriff als Ausrede, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Ein „Black Swan“ kann per Definition nicht vorausgesehen werden; Führungspersönlichkeiten entziehen sich auf diese Weise der Verantwortung.
Statt sich auf dem Unmöglichen auszuruhen, sollten Unternehmen eine kontinulierliche Risikoanalysen betreiben, diese bewerten und priorisieren: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Szenario eintrifft? Anhand der Wahrscheinlichkeit können Relevanzen bewerten und Ressourcen zugeteilt, um die Unternehmen auf die Risiken entsprechend vorzubereiten. Überraschungen sind möglich, allerdings ist man besser gewappnet.
Wir besitzen eine systematische Kurzsichtigkeit.
Die größte Hürde bei diesem Vorgehen, liegt tief in uns selbst verwurzelt: Unsere Gehirne sind von Natur aus so geschaltet, dass wir bevorzugt reagieren statt zu agieren. Vor diesem Hintergrund rät Kara dazu, uns ganz bewusst zu für das aktive Handeln zu entscheiden. Nur so werden wir zu Führern unserer eigenen Evolution.
Strategic Foresight richtig angewendet
Viele Unternehmen glauben, sie würden sich der Methoden der Strategic Foresight bedienen. Stattdessen beschäftigen sie sich mit dem „Tactical Reactionary Planning“, meint Kara Cunzeman. Viele Menschen legen den Begriff der Strategic Foresight falsch aus. Es geht nicht ausschließlich darum, Szenarien zu planen, sondern vielmehr, Methoden zu verwenden, die ein Unternehmen auf die Zukunft vorbereiteten. Es ist ein Mythos, die Strategic Foresight könne zukünftige Ereignisse voraussagen – stattdessen bedient sie sich Insights, mit denen die Führung informierte Entscheidungen treffen kann.
Die Strategic Foresight ist eine bewusste Entscheidung – der Grund dafür liegt erneut in unseren Gehirnen. Wir leben im Hier und Jetzt – das Morgen ist für unser Gehirn irrelevant. Der Höhlenmensch vor dem Lagerfeuer, denkt nicht an die Dinge, die morgensein werden. Stattdessen reagiert unser Gehirn auf die aktuelle Gefahr. Es reagiert – bewusste Entscheidungen sind erst wieder möglich, wenn die Gefahr gebannt ist. Um Krisen erfolgreich bewältigen zu können, muss dieses einseitige Mindset durchbrochen werden. Erst dann kann sich der Blick für die Zukunft öffnen.
Ein solcher Eye-Opener ist die Coronapandemie: Sie führt uns vor Augen, welche Dinge funktionieren und welche nicht. Eine solche Pandemie zeigt uns, wo die eigenen Schwächen liegen. Diese sollten wir angehen und das bedeutet jetzt aktiv zu werden.
Das Push-Pull-Modell in der Strategic Foresight
Im Einklang mit dem Reagieren und Agieren steht das Push-Pull-Modell von Everett. S. Lee. Aus einem Gebiet "weggedrückt" zu werden, sei leicht. Push steht in diesem Zusammenhang für das Reagieren, das die Standardeinstellung unseres Gehirns darstellt. Das Agieren dagegen ist der Pull: das Migrieren in ein anderes Gebiet. Negativ beeinflusst wird es durch die natürliche Trägheit des Menschen und unserer Risikoscheue.
Sich aus der eigenen Position am Markt "pushen" zu lassen, ist folglich relativ einfach; schwer ist es, eine neue Position per Pull einzunehmen. Kara Cunzeman erklärt, dass jede Entscheidung auf einen Push reagiert, Transformationen hingegen aber nur dann stattfinden, wenn wir uns auf den Pull konzentrieren.
Um das zu erreichen, müssen Unternehmen ihr Mindset erweitern: Was Sie nicht erträumen und sich vorstellen können, kann nicht real werden. Statt ausschließlich darauf zu schauen, was passieren wird, sollten Sie daran denken, was geschehen könnte. Das Dehnen des Mindsets erfordert Zeit und Möglichkeiten, sich kreativ auszutauschen. Externe Perspektiven können fruchtbar sein. Das einsame Kämmerlein dagegen wirkt destruktiv auf den kreativen Austausch.
Der "Pathfinder’s Guide to the Space Enterprise"
Mit dem Pathfinder’s Guide to the Space Enterprise haben Kara Cunzeman und ihr Team eine Future’s Map in Posterformat entwickelt, die frei im Internet verfügbar ist. Eine ganze Woche verbrachten Kara und ihr Team in einem abgeschotteten Raum. In dieser Zeit arbeiteten sie ausschließlich an der Karte. Unterstützt von Dutzenden von Experten konnten mehr als 400 Ideen generiert und später zu sieben Kernthemen verdichtet werden, welche nun als Anker in der Gegenwart und als Portal in die Zukunft dienen:
- Intelligence Infrastructure: Künstliche Informationen, die jederzeit verfügbar sind
- Conflict: Modalitäten und Landschaften, die sich fortlaufend und exponentiell entwickeln
- Workforce: Fähigkeiten, Möglichkeiten und das gesellschaftliche Umfeld, das Sie in der Zukunft fördern wollen
- Ressources: Physische und virtuelle „Juwelen“, die Erkundungen, Entwicklungen und Vorteile für die Erde ermöglichen
- Access: Physische und virtuelle Belieferung, Nutzung und Verbindung von der Erde in den Weltraum und dem Intra-Space
- Players: Entdecker, Unternehmer, Innovatoren, die Regierung, Dienstleister und gesellschaftliche Elemente des Ökosystems
- Exploration: Das Entstehen einer Raumfahrtnation
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Die Future’s Map ermöglicht das Spinnen von Ideen und Insights zu verschiedensten Dimensionen unserer Zukunft im Weltraum, wie z.B. die Frage, welche Art von Menschen wird im Weltraum arbeiten? Kara's Vision ist es, die Karte in so vielen Büros wie möglich an die Wand zu bringen, um genau dieses Spinenn von Ideen und Szenarien aktiv zu unterstützen und zu fördern.
3 wertvolle Tipps für die Zukunft
Zum Glück für die Weltraumindustrie hatte COVID-19 bisher kaum Auswirkungen auf die Branche. Die Investoren unterstützen die Projekte weiterhin, die Forschung wurde nicht gestoppt. Kara Cunzeman sorgt sich dagegen um externe Einflüsse, z. B. über Subventionierungen. Derzeit sehe die Zukunft jedoch rosig aus.
Zum Schluss verriet sie uns noch 3 wertvolle Tipps, die wir alle jetzt und in Zukunft beherzigen sollten:
- Strategic Foresight: Nutzen Sie die Strategic Foresight aktiv, um sich und Ihr Unternehmen auf Risiken vorzubereiten.
- Behandeln Sie die verfügbaren Ressourcen mit dem Respekt, den sie verdienen. Denn wir alle bestehen aus Sternenstaub, hier auf der Erde und im Weltraum. Die Probleme der Erde werden wir mit in den Weltraum nehmen. Es ist eine Illusion, im Weltraum von vorne beginnen zu können. Deshalb ruft Kara uns dazu auf, im Weltraum nicht die selben Fehler wie aufg der Erde zu machen.
- Perspektivenwechsel: Öfters mal die Perspektive wechseln! Astronauten kehren regelmäßig von einer Weltraumexpedition zurück und berichten, dass sie die Welt nun mit anderen Augen sehen würden. Schließen wir uns ihnen an und betrachten wir unsere Heimat als jene Kostbarkeit, die sie für uns Menschheit ist. Wenn wir jetzt handeln, können wir eine Welt schaffen, in der die Menschheit in einer Welt des Überflusses lebt.
Wir müssen den Weltraum wie eine natürliche Ressource behandeln.
Wir danken Kara Cunzeman für dieses intergalaktische Interview.
Kara Cunzeman ist leitende Projektleiterin für Strategic Foresight im Center for Space Policy bei The Aerospace Corporation. In dieser Rolle konzentriert sich Kara auf die Entwicklung eines formalisierten Ansatzes für das Zukunftsdenken durch die Strategic Foresight Corporate Strategic Initiative (CSI). Mit ihren Aktivitäten unterstützt die das Unternehmen maßgeblich dabei, seine Organisationen und Fähigkeiten angemessen vorzubereiten, um die Zukunft durch innovative Ansätze in den Bereichen Strategie, Akquisition, Wissenschafts- und Technologie-Portfoliomanagement, Politik und Betrieb proaktiv zu gestalten.