Das sorgfältige Beobachten des internen und externen Unternehmensumfeldes, um erste Anzeichen relevanter Geschäftsmöglichkeiten und -bedrohungen frühzeitig zu erkennen, ist einer der wichtigsten Schritte im Innovationsmanagement und der Strategieentwicklung. Im Rahmen eines Interviews haben wir Philipp Schett, Leiter der Strategie- und Innovationsberatung Detecon mit Sitz im Silicon Valley, über die Bedeutung von Unternehmensumfeldscanning (engl.: Environmental Scanning), die Rolle von Softwarelösungen zur Förderung von Innovation und potenzielle Vorteile der Nähe zur Startup-Welt im Silicon Valley befragt.
Was bedeutet deiner Meinung nach Environmental Scanning?
Environmental Scanning ist eine Methode im Innovationsmanagement, um das Umfeld auf erste Anzeichen von Veränderungen zu monitoren, die bei der strategischen Entscheidungsfindung unterstützen können. Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil gewinnen können, wenn sie diese Kunst beherrschen und ihre Umgebung nach neuen Möglichkeiten, Herausforderungen und jeglichen Einflussfaktoren scannen.
Was ist das Besondere an Environmental Scanning im Silicon Valley?
Ich würde sagen, von Nürnberg aus ist es genauso einfach sich über neue Technologien und Trends zu informieren. Weltweit kann man den richtigen Leuten auf Twitter folgen, Tech-Blogs lesen, sich Podcasts anhören, Google-Benachrichtigungen abonnieren oder Patentdatenbanken scannen.
Hier im Silicon Valley hat man jedoch die Möglichkeit, sich über die neuesten Technologien und Trends auszutauschen, bevor diese in den Mainstream-Medien landen. Durch unsere Arbeit im Silicon Valley haben wir gelernt, dass Ideenentwicklung nicht teuer ist und dass es letztendlich auf die Umsetzung ankommt. Meiner Meinung nach ist es ein Vorteil direkt im Silicon Valley zu sitzen, wenn es um die Umsetzung von Ideen geht. Klar kann man auch TechCrunch lesen, um sich über neue Technologien zu informieren oder sich mit anderen Experten per Telefon austauschen. Die Distanz kann es aber problematisch machen, diese dann von einer potenziellen Partnerschaft zu überzeugen.
Wenn man also Environmental Scanning als reines Umfeldmonitoring betrachtet, lässt der Standortvorteil langsam nach. Betrachtet man jedoch die gesamte Wertschöpfungskette von „Hey, wir identifizieren Ideen“ bis „Wir machen es möglich“, dann ist es immer noch ein großer Vorteil im Silicon Valley zu arbeiten.
Also bist du der Meinung, dass der wichtigste wirtschaftliche Vorteil des Standorts Silicon Valley eine leichtere Verbindung zwischen Startups und Großunternehmen ist. Korrekt?
Genau, das ist sonst eben schwer umsetzbar, wenn man nicht direkt vor Ort ist. Ein interessanter Aspekt des Silicon Valleys ist: Egal wie digital hier alles ist, das Networking ist völlig analog. Deshalb ist das Burning Man Festival noch immer so beliebt bei den Silicon Valley VC’s. Dort gibt es keinen Handyempfang, womit man auf ganz traditionelles Networking angewiesen ist.
Welche Tools verwendest du oder kannst du im Rahmen von Environmental Scanning empfehlen?
Wir verwenden ITONICS Radar als Tool, um unsere Scouting-Ergebnisse besser zu strukturieren und zu visualisieren. Das Tool erfüllt gleich einen doppelten Zweck. Fehlt einem Tool die Struktur, ist es sehr einfach, sich in einem Überfluss an Daten zu verlieren. So können keine validen Ergebnisse erzielt werden. Aus diesem Grund ist der ITONICS Radar ein großartiges Tool. Es erlaubt uns, alle Daten aus den verschiedensten Quellen in einem Tool verfügbar zu machen. Darüber hinaus hilft es unseren Kollegen durch bessere Transparenz, die Informationen leichter zu verstehen. Sachverhalte werden klarer: Dies sind die neuen Trends, die wir entdeckt und gemeinsam nach verschiedenen Kriterien für unseren Geschäftserfolg bewertet haben.
Bist du der Meinung, dass softwaregestützte Lösungen euren Kunden einen Wettbewerbsvorteil verschaffen?
Ich bin mir absolut sicher, dass ohne passende Software, niemals alle Informationen verstanden werden können. Um die Frage zu beantworten: Ja, ich bin mir sicher, dass Software einen klaren Wettbewerbsvorteil schaffen kann. Wenn man Environmental Scanning nutzen will, um optimal auf die Zukunft vorbereitet zu sein, müssen entsprechende Technologien auch unterstützend zum Einsatz kommen. Das ist ganz klar.
Hast du ein Beispiel, in welcher Branche ihr die Software angewandt habt?
Im letzten Jahr haben wir ein Projekt in der Luftfahrtindustrie gestartet. Wir wollten ein Verständnis dafür gewinnen, wie viel Innovation in dieser Branche überhaupt vorhanden ist. Insbesondere im Hinblick auf Flughäfen, die zwar effizienz- und sicherheitsorientierter, aber nicht wirklich auf Innovation ausgerichtet sind. In den USA sind Flughäfen öffentliche Einrichtungen, die generell langsamer laufen als andere. Zusammen mit unseren deutschen Kollegen nutzen wir das Radar-Tool, um Trends gemeinsam zu identifizieren und zu bewerten.
Die subjektive Bewertung einer einzigen Person entspricht nicht der optimalen Datenform. Verbinden wir jedoch die Erfahrung vielzähliger Berater und fragen verschiedene Personen zu ihrer Einschätzung, dann erhalten wir einen einigermaßen zuverlässigen Datensatz. Als Ergebnis präsentierten wir unseren Kunden dann die Bewertungen unserer Experten. Ebenso weisen wir auf die Bereiche hin, die für sie zukünftig von großer Relevanz sein werden.
Was sind für dich die wichtigsten Features des Innovation Radars?
Die Möglichkeit der Zusammenarbeit ist natürlich großartig. Aber auch der Aspekt, dass Trends und entsprechende Startups miteinander verknüpft werden können. Ich denke, ein Trend oder eine Technologie ist nur dann sinnvoll, wenn sie einen klaren Use Case und eine Auswirkung auf das eigene Geschäft hat. Wenn es zu der Implementierung neuer Technologien kommt, benötigen unsere Kunden Partner und diese können z. B. Startups sein. Das Startup kann ihnen dann bei der Einschätzung helfen, ob diese neue Technologie eine Auswirkung auf ihr zukünftiges Geschäft haben wird.
Glaubst du, dass Environmental Scanning auch zukünftig immer wichtiger wird?
Das Scheitern der meisten Firmen beruht darauf, dass sie zu lange auf Altbewährtes vertraut und ihre Strategien nicht an neue Entwicklungen angepasst haben. Entweder wurden die Veränderungen in ihrer Geschäftsumgebung nicht realisiert oder sie konnten diese Veränderungen nicht in ihre Prozesse integrieren.
Wenn Environmental Scanning also einen direkten Einfluss auf die Unternehmensentwicklung nimmt, kann es den Unterschied machen, ob ein Unternehmen überlebt oder vom Markt verschwindet. Daher glaube ich, dass Environmental Scanning auch in Zukunft noch relevanter werden wird.
Philipp Schett ist Leiter der Strategie- und Innovationsberatung im Detecon Silicon Valley Office. Detecon ist ein weltweit führendes Beratungsunternehmen im Technologiemanagement. Detecon unterstützt Kunden in ihren Digitalisierungs- und Innovationsstrategien in verschiedenen Branchen weltweit. Detecon vereint Managementberatung mit langjähriger Erfahrung in der Digitaltechnik und hat Kunden in mehr als 2.000 Projekten in über 165 Ländern unterstützt.